Mit der Frage nach den Gelingensbedingungen von inklusiver Bildung behandelt die erste Ausgabe gleich ein Thema, bei dem gesellschaftlich und politisch noch viel zu tun ist. Entsprechend lebhaft und facettenreich ist die Diskussion – und entsprechend viele und unterschiedliche Fragen hatte das Publikum am 23. Mai 2024 in der Schaubühne Lindenfels in Leipzig.
Zu Gast sind
Anne Piezunka, Professorin für Soziale Arbeit, Gender, Diversity und Inklusion an der Hochschule für Soziale Arbeit und Pädagogik, Berlin. Sie forscht zur schulischen Umsetzung von Inklusion – und wie sich entsprechende Unterschiede erklären lassen. Besondere Aufmerksamkeit haben ihre Studien zur Rolle von Schulinspektionen für die Inklusion erregt, für die sie mit dem Wissenschaftspreis der Sektion Sonderpädagogik der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaften ausgezeichnet wurde. Außerdem ist sie an den Reckahner Reflexionen zur Ethik pädagogischer Beziehungen beteiligt, einem Manifest mit Leitlinien für pädagogischen Berufe.
Uschi Kruse, bildungspolitische Vorreiterin und ebensolches Urgestein, bis 2023 langjährige Vorsitzende der GEW Sachsen. Gerade im Ruhestand ist sie kein bißchen leise, hat den kundigen Blick auf die schulische wie die landespolitische Praxis und ist in dieser Folge die starke Leipziger Stimme – ihr Blick geht mit hohem sozialem Anspruch und ohne Angst vor großen Tieren jedoch weit darüber hinaus.
Darum geht’s
Von der UN-Behindertenrechtskonvention bis zur Rolle von Jugendämtern, von der Ausbildung fürs Lehramt über die Bedeutung multiprofessioneller Zusammenarbeit in Kitas und Schulen bis zu den Wünschen von Eltern, sozialer Segregation und der Frage nach der der besseren Verteilung der finanziellen und personellen Ressourcen. Auch die in allen Altersgruppen nach wie vor bestehende Skepsis, Vorurteile und Ablehnung werden nicht ausgespart ebenso wenig wie die Frage nach dem Fortbestand von Förderschulen, auf die die Debatte so oft verkürzt wird. Selbstkritik übt das Podium angesichts des gemeinsamen Anspruchs „Nicht ohne uns über uns“, so einige bekommen ihr Fett ab, allerdings nicht ohne zu überlegen, wie das verbindende und gewinnende Narrativ aussehen könnte, das Eigeninteressen und -logiken überwindet und für die Weiterentwicklung des Bildungssystems taugt. Kurzweilig, humorvoll – und mit ernstem Interesse daran, zu einer schneller und besser gelingenden inklusiven Bildung beizutragen. Gleich zu Beginn nimmt sich Anne Piezunka die oft kursierenden und von Verhinderern und Bremserns gerne befeuerten Mythen zur Inklusion vor. Auf sie kommen auch mehrere Fragen aus dem Publikum im zweiten Teil des Podcasts zurück.
Tag und Thema für die erste Ausgabe sind alles Andere als zufällig gewählt. Es gibt im Jahr 2024 keinen besseren Tag, um mit „Die soziale Frage“ zu beginnen. Denn am 23. Mai wurde unser Grundgesetz 75 Jahre alt. Das ist der perfekte Tag, um von Leipzig, von Sachsen aus die demokratischen und progressiven, die wohlmeinenden und solidarischen Kräfte zu stärken, indem wir uns den sozialen Fragen widmen. Sich dabei gleich Inklusion zuzuwenden, beruht auf zwei Überzeugungen: 1.) dass Bildungsgerechtigkeit und ein gültiges Aufstiegsversprechen unser demokratisches Gemeinwesen stärken, 2.) dass vulnerable Gruppen, ein solidarischer Anspruch und individuelle (Menschen-)Rechte mehr Aufmerksamkeit verdienen. Nehmen wir sie uns!